GENERALVERSAMMLUNG 2015: GEDENKEN AN MARTIN BUBER

Wien. Im Zeichen des Gedenkens an den 50. Todestag des Religionsphilosophen Martin Buber stand am 18. Mai die Generalversammlung des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
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Zu Beginn würdigte IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer die Tätigkeit des Vereins als verlässlichen Partner der jüdischen Gemeinde. Koordinierungsausschuss-Präsident Martin Jäggle stellte die Ergebnisse des Organisationsentwicklungsprozesses vor, der im letzten Jahr stattgefunden habe. Neben den bisherigen erfolgreich laufenden Themenfeldern Erwachsenenbildung sowie Dialog und Begegnung sei Wissenschaft dabei als neues Aufgabengebiet identifiziert worden. Seit der letzten Generalversammlung hätte sich ein Beirat konstituiert, der sich zweimal jährlich zum Gedankenaustausch treffe und den Verein durch Ideen und wertvolle Netzwerkkontakte unterstütze. Jäggle bedauerte, dass Geschäftsführer Markus Himmelbauer diese Funktion nach 19 Jahren erfolgreicher Tätigkeit mit Beginn des neuen Arbeitsjahres im Herbst zurücklegen werde.
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BESTÄTIGUNG DES BISHERIGEN VORSTANDS
Bei den turnusmäßigen Vorstandswahlen wurden alle Mitglieder in ihren Funktionen bestätigt: Präsident bleibt der Religionspädagoge Martin Jäggle, die Vizepräsidenten sind Superintendent i.R. Helmut Nausner und Willy Weisz. Die Historikerin Elenore Lappin-Eppel bleibt im Amt der Schriftführerin, der Jurist Christoph Konrath Finanzreferent. Als weitere Vorstandsmitglieder wurden gewählt: Friederike Habsburg-Lothringen, Ruth Schelander-Glaser und Dechant Ferenc Simon. Einzig an Stelle von Pfarrerin Ursula Arnold wurde Pfarrerin Margit Leuthold in den Vorstand gewählt, die in der Seelsorge am AKH Wien tätig ist. Neu als Delegierter der orthodoxen Kirchen wird der Theologe Theodoros Alexopoulos im Vorstand mitarbeiten.
IN ERINNERUNG AN DEN 50. TODESTAG VON MARTIN BUBER
In Erinnerung an den 50. Todestag des in Wien am Franz Josephs-Kai geborenen Religionsphilosophen Martin Buber hielt Professor Christian Wiese einen Vortrag: „Polyphone Wahrheit und dialogisches Denken in der jüdischen Religionsphilosophie des 20. Jahrhunderts." Wiese ist Martin-Buber-Professor für jüdische Religionsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
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Die Frage, wie monotheistische Religionen konstruktiv mit der Vielstimmigkeit religiöser Wahrheitsansprüche umgehen können, beschäftigt jüdisches Denken seit der Aufklärung und sei auch für die Gegenwart pluralistischer Gesellschaften von besonderer Bedeutung. Ausgehend vom Dialogdenken Martin Bubers, der sich – neben Leo Baeck und Franz Rosenzweig – vor der Schoa am intensivsten mit der Frage des religiösen Dialogs zwischen Judentum und Christentum befasst hat, spürte Wiese anderen Entwürfen religionsphilosophischer Reflexion über religiöse Vielfalt und Differenz nach. Im Vordergrund standen dabei amerikanisch-jüdische Denker wie Abraham J. Heschel oder Irving Greenberg, die sich profiliert zum religiösen Pluralismus geäußert haben.
Wiese unterschied Zugänge, die das Gemeinsame der Religionen als Grundlage des Dialogs und der Begegnung sehen, andere die Komplementarität der Heilswege und jene, die gerade durch den Austausch und in der Akzeptanz von Pluralismus und Differenz die Notwendigkeit des gemeinsamen Gesprächs begründeten. Buber schreibt: „Die geschichtlichen Religionen haben die Tendenz, Selbstzweck zu werden und sich gleichsam an Gottes Stelle zu setzen, und in der Tat ist nichts so geeignet, dem Menschen das Angesicht Gottes zu verdecken, wie eine Religion. Die Religionen müssen zu Gott und zu seinem Willen demütig werden; jede muß erkennen, daß sie nur eine der Gestalten ist, in denen sich die menschliche Verarbeitung der göttlichen Botschaft darstellt, – daß sie kein Monopol auf Gott hat; jede muß darauf verzichten, das Haus Gottes auf Erden zu sein, und sich damit begnügen, ein Haus der Menschen zu sein, die in der gleichen Absicht Gott zugewandt sind – ein Haus mit Fenstern; jede muß ihre falsche exklusive Haltung aufgeben und die rechte annehmen. Und noch etwas ist not: die Religionen müssen mit aller Kraft darauf horchen, was Gottes Wille für diese Stunde ist, sie müssen von der Offenbarung aus die aktuellen Probleme zu bewältigen suchen, die der Widerspruch zwischen dem Willen Gottes und der gegenwärtigen Wirklichkeit der Welt ihnen stellt. Dann werden sie, wie in der gemeinsamen Erwartung der Erlösung, so in der Sorge um die noch unerlöste Welt von heute verbunden sein." (Martin Buber, „Fragmente über Offenbarung", in: Nachlese, Heidelberg 1965).
Markus Himmelbauer

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