DAS ALTARBILD DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN VOITSBERG

Voitsberg. Dem Altarfresko in der evangelischen Kirche in Voitsberg in der Steiermark war am 19. Jänner 2011 ein Vortragsabend mit anschließender Diskussionsmöglichkeit gewidmet.

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ERICH HÖNIG: "PROTAGONIST EINER NEUEN ZEIT"
Das Bild, welches Kreuzigung und Auferstehung Jesu zeigt, ist schon länger Gegenstand der Diskussion. Das beim Eintreten in die Kirche sofort auffallende Wandgemälde, das die gesamte Altarwand einnimmt, ist ein Werk des Grazer Malers Erich Hönig, eigentlich Erich Ritter Hönig von Hönigsberg (später mit dem Spitznamen "Soldatenhönig" bezeichnet, weil sein bevorzugtes Genre Soldatenbilder für Kriegerdenkmäler waren) aus dem Jahr 1936. Er war Mitglied der Grazer Sezession, in der es in den letzten Jahren vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten heftige ideologische Auseinandersetzungen unter den Mitgliedern gab, die  sich um die richtige Einschätzung der NS-Kulturpolitik drehten.
Zu Hönigs Bildern äußerte sich der damals sehr bekannte Kunstkritiker Mirko Jelusich in der Deutsch-Österreichischen Nationalzeitung in einer langen und ausführlichen detaillierten Besprechung sehr anerkennend. Er sieht in Hönig den „Protagonisten einer neuen Zeit, deren Wetterleuchten bereits am Horizont der Kunst zu erahnen sei".
 
Das Altarbild ist in seinem Inhalt als antisemitisch einzustufen. Es stellt eine brennenden Synagoge zur Linken des gekreuzigten Christus dar. Somit nimmt es die zwei Jahre später stattfindende Reichspogromnacht vorweg.
„Der Antisemitismus ist nicht erst durch den Anschluss im März 1938 in Österreich eingezogen, sondern war ein bereits vorhandenes ideologisches Fundament. „Die für die nationalsozialistische Ideologie zentralen Elemente des Antisemitismus, ... mussten nicht erst von den Nazis eingeführt werden. Sie waren bereits in großen Teilen der Bevölkerung tief verwurzelt und lieferten dadurch die Plausibilitätsstrukturen für die Handlungen der neuen Machthaber.“ (in: Katalog zur Ausstellung „unsichtbar“ von Heimo Halbrainer, Gerald Lamprecht, Ursula Mindler. Clio Graz, 2008. S. 27).

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LANGE LEIDVOLLE BILDTRADITION
Mit der Darstellung einer brennenden Synagoge steht das Altarbild in der evangelischen Kirche in Voitsberg in der antijüdischen Tradition der christlichen Kirchen. Dies wies Univ.-Prof. Peter Ebenbauer in seinem Vortrag anhand von Bildern und Texten aus mehreren Jahrhunderten nach. Aus dem zu Anfang konkurrierenden Verhältnis von Christentum und Judentum entstand im Laufe der Geschichte Abwertung und Feindschaft der Christen gegenüber den Juden, die immer wieder zur Verfolgung und Vertreibung führte.

Inwiefern sich dieses Verhältnis der evangelischen Kirchen nach 1945 durch die langsame Einsicht in die Mitschuld der Christen am Holocaust grundlegend geändert hat, legte Frau Sabine Maurer, Vorsitzende des Grazer Komitees für christlich-jüdische Zusammenarbeit dar. In der Erklärung der Generalsynode der Evangelischen Kirchen A. und H.B. aus dem Jahr 1998 wird die Evangelische Kirche zu einer „Zeit zur Umkehr“  in ihrem Verhältnis zu den Juden aufgerufen. Die Begründung lautet:
„Der Anteil und die Mitschuld von Christen und Kirchen am Leiden und Elend von Juden ist nicht länger zu leugnen.“
Daher wird Folgendes gefordert:
„Diese unsere belastete Vergangenheit verlangt nach einer Umkehr, die die Auslegung der Heiligen Schrift, die Theologie, die Lehre und die Praxis der Kirche umfasst.“
Zur Praxis gehört auch die Gestaltung und Ausstattung von Kirchenräumen.
 
Beide Vorträge machten es den Zuhörenden möglich, das Altarbild aus dem Jahr 1936 in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Die anschließende Aussprache, die von Pfarrer Manfred Witt moderiert wurde, ermöglichte einen  regen Austausch über bisherige und neu gewonnene Sichtweisen und ließ die Frage aufkommen, wie heute mit diesem Bild in der Kirche umzugehen sei. Es bleibt abzuwarten, in welcher Weise sich die Pfarrgemeinde dieser Herausforderung stellen wird.
Sabine Maurer

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