Purim und Palmsonntag - ein Paar mit einer ungewöhnlichen Verbindung

In diesem Jahr führt eine seltene Kalenderkonstellation zu einer ungewöhnlichen Verbindung von Palmsonntag und dem jüdischen Purim-Fest. Ostern und Pessach, als Geschwisterfeste verstanden, zeigen trotz unterschiedlicher Ursprünge und Glaubensaussagen christlich-jüdische Gemeinsamkeiten. Aber ausgerechnet am Palmsonntag begehen heuer Jüdinnen und Juden den heitersten Tag ihres religiösen Kalenders: sie feiern Purim. 
Bei genauer Betrachtung offenbaren sich an diesem Tag eher Gegensätze, die in der Vergangenheit sehr oft Grund für Feindseligkeiten waren. Purim erinnert an die Überwindung des persischen Judenhassers Haman vor 2500 Jahren, während der Palmsonntag den Auftakt zur Karwoche darstellt, die mit dem Gedenken an das Leid und den Tod Christi verbunden ist. 
Letzterer entwickelte sich im Verlauf der Geschichte gelegentlich zu einem Tag, an dem der Hass auf die vermeintlichen "Gottesmörder" sich in Pogromen und anderen antisemitischen Handlungen entlud. Dies stellt mehr als nur eine Randnotiz zur an sich gut verlaufenen Geschichte von Purim dar. Gemeinsamkeiten zu finden ist nicht einfach. Der Beginn der großen Woche stellte immer eine Herausforderung dar, wenn Purim in diese Zeit fiel und jüdische Feierlichkeiten, darunter Parodien und Umzüge, auf Ablehnung stießen. Ess- und Trinksitten zu Purim, insbesondere der Alkoholkonsum, widersprachen der vorösterlichen Enthaltung im Christentum.

Negative Emotionen könnten paradoxerweise dazu führen, dass die beiden Religionen an diesem besonderen Tag zueinander finden. Die Frage, wer der oder die Anklagende in Psalm 22 ist, wurde im Talmud und weiteren Midraschim mehrfach diskutiert: Ist es eine Person oder das verfolgte Volk Israel? Aufgrund der Überschrift in Vers 1 «ein Gesang über die Hindin (d.h. Hirschkuh) der Morgenröte» lautet eine der Antworten: die Königin Esther, die sich von G'tt verlassen fühlt, als sie, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, zu König Achaschverosch vorgedrungen ist, um für das Leben ihres Volkes einzutreten; sie war sich der daraus folgenden Todesgefahr bewusst und dankt im letzten Teil für ihr Überleben. Nach der Überlieferung hat Esther in ihrer Todesangst die Worte des ersten Teils des zweiten Verses «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» klagend ausgesprochen, die in der christlichen Passionsgeschichte als Ausdruck der Verzweiflung Jesu so bedeutend sind. Wegen der Zuschreibung des Psalms zur Geschichte von Purim wird in den jüdischen Gemeinden der sefardischen und der zentralasiatischen Traditionen zu Purim Psalm 22 als Psalm des Tages rezitiert.

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass selbst in der Fastenzeit Ausnahmen existieren. Das Feiern von christlichen Heiligen (St. Patrick, Hl. Benedikt, St. Josef) zeigt, dass trotz aller Unterschiede auch gemeinsame Freuden in diesen Wochen möglich sind.

Willy Weisz, Vizepräsident und Ferenc Simon, Diözesanbeauftragter

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