Die Hoffnung über den Tod hinaus

Ein Gespräch mit Willy Weisz über die Ursprünge des jüdischen Auferstehungsglaubens
Von Ferenc Simon Diözesanbeauftragter für die christlich-jüdische Zusammenarbeit 
Der jüdische Glaube an ein Leben nach dem Tod ist vielschichtig – und seine Geschichte reicht weit zurück. In einem Gespräch mit Willy Weisz, dem jüdischen Vizepräsidenten des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit und österreichischem Vertreter beim Internationalen Rat der Christen und Juden, wird deutlich, wie entscheidend die Zeit der Makkabäer (2. Jh. v. Chr.) für die Entwicklung des Auferstehungsgedankens war.

Märtyrer und neue Hoffnung

„Die Makkabäer spielten eine zentrale Rolle“, so Weisz. „In dieser Zeit wurden viele Juden getötet, weil sie sich weigerten, griechische Götter zu verehren.“ Aus diesem Leid heraus habe sich die Hoffnung entwickelt, dass jene, die für ihren Glauben sterben, am Ende der Zeiten von Gott wieder zum Leben erweckt würden.
Die ältesten literarischen Zeugnisse für diesen Glauben finden sich im 2. Makkabäerbuch, das etwa 124 v. Chr. verfasst wurde. Besonders eindrucksvoll schildert es das Martyrium von sieben Brüdern und ihrer Mutter (Kapitel 7). Einer der Brüder sagt darin: „Der König der Welt aber wird uns, die wir um seiner Gesetze willen sterben, zu einem neuen, ewigen Leben auferwecken.“ Und ein anderer: „Es ist besser, von Menschen hingerichtet zu werden, wenn man von Gott die Hoffnung auf die Auferstehung hat.“
Auch in 2 Makk 12,43–45 ist von dieser Hoffnung die Rede: Nach einer Schlacht lässt Judas Makkabäus für gefallene Soldaten beten und Spenden für ein Sühneopfer sammeln – in der Hoffnung, dass sie bei der Auferstehung Erbarmen finden. Für Weisz ist das nicht nur ein Beleg für den Glauben an die Auferstehung, sondern auch ein früher Hinweis auf die Wirksamkeit von Fürbitten für die Verstorbenen.

Spekulation – keine dogmatische Festlegung

Trotz dieser Entwicklungen warnt Weisz vor festen Bildern: „Im Judentum gibt es bis heute keine allgemein akzeptierte Vorstellung vom Leben nach dem Tod. Alle Beschreibungen sind spekulativ, weil bisher niemand zurückgekommen ist und darüber berichten konnte.“
Zwar gebe es im Tanach (hebräische Bibel) Hinweise auf ein anderes Ende als den Tod – etwa bei Chanoch, der „mit Gott genommen“ wurde (Gen 5,24), oder bei Elia, der in einem Feuerwagen entrückt wurde (2Kön 2,11). Doch grundsätzlich endet das Leben in der Bibel mit dem Tod – dem Abstieg in den Scheol, ein düsterer Ort, der sowohl als Grab als auch als Aufenthaltsort aller Toten beschrieben wird.
Erst in der Zeit des Zweiten Tempels wuchs das Unbehagen über die Vorstellung, dass gute und schlechte Menschen das gleiche Schicksal im Tod erleiden. Daraus entwickelte sich die Idee, dass das Wohlverhalten im Leben die Qualität des Weiterlebens der Seele beeinflussen könnte.

Pharisäer gegen Sadduzäer

Im ersten Jahrhundert n. Chr. existierten verschiedene jüdische Gruppierungen mit unterschiedlichen Sichtweisen. Die Sadduzäer, lehnten die Vorstellung einer Auferstehung ab – sie akzeptierten nur die schriftliche Tora, in der es keine eindeutige Lehre dazu gibt. Die Pharisäer hingegen stützten sich auch auf mündliche Traditionen und akzeptierten die Vorstellung einer leiblichen Auferstehung „am Ende der Zeiten“.
Ein biblisches Bild dafür findet sich bei Ezechiel (Ez 37,1–14), wo Gott ein Totengebein wieder zum Leben erweckt – ursprünglich als Metapher für die Rückkehr des Volkes Israel aus dem babylonischen Exil, später aber auch als individuelle Auferstehung gedeutet.
Ein zentrales Element im jüdischen Gottesdienst verweist bis heute auf diesen Glauben: In der Amida, dem jüdischen Gebet, das als Ersatz für den Opferdienst, der laut Bibel ohne das Zentralheiligtum, nicht möglich ist, dient und drei- bis viermal täglich gesprochen wird, heißt es: „Gelobt seist du, Ewiger, der die Toten zum Leben erweckt.“
Weisz betont: "Zur Zeit Jesu waren es die Pharisäer, die den Auferstehungsglauben vertraten – ein Denken, das später auch im Christentum zentral wurde".

Katholische Sicht auf die Auferstehung

Die katholische Kirche lehnt die Reinkarnation also die Wiederbelebung als ein anderes Lebewesen, ausdrücklich ab. Stattdessen verkündet sie die Auferstehung des Fleisches – wie im Glaubensbekenntnis formuliert: Am „Jüngsten Tag“ werden alle Menschen leiblich auferstehen und vor Gott gerichtet werden.
In der modernen katholischen Theologie haben sich differenzierte Auffassungen entwickelt:
- Karl Rahner sprach von einer „existenzialen Auferstehung“, bei der die Seele in einem neuen Sein mit Gott weiterlebt.
- Hans Küng deutete das Fegefeuer als einen inneren, symbolischen Läuterungsprozess.
- Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) verstand die Auferstehung nicht als körperliche Wiederbelebung, sondern als Teilhabe an der göttlichen Wirklichkeit.
- Gisbert Greshake beschrieb den „verklärten Leib“ als Form neuer Identität, losgelöst von irdischer Materie.
- Hans Urs von Balthasar hoffte auf eine universale Erlösung aller Menschen – ohne dogmatischen Anspruch.
- Papst Franziskus verknüpft die Auferstehung mit der Erlösung der gesamten Schöpfung, wie in seiner Enzyklika Laudato Si’ angedeutet.

Fazit

Die Makkabäerzeit war ein historischer Wendepunkt: Sie markiert den Moment, in dem sich der Auferstehungsglaube im Judentum erstmals klar herausbildete. Diese Vorstellung beeinflusste nicht nur innerjüdische Gruppen wie die Pharisäer, sondern prägte auch die spätere christliche Theologie. Während die katholische Kirche an der Lehre der leiblichen Auferstehung festhält, betont sie in der Gegenwart zunehmend die spirituelle Dimension – als Ausdruck einer vollendeten und bleibenden Beziehung des Menschen zu Gott.

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