Himmelbauer, Markus SCHABBAT: RUHEN OHNE KOMPROMISS
06/04/08 Theologie
Am 3. März ist der "Internationale Tag des freien Sonntags". Am 3. März 321 war ein Edikt von Kaiser Konstantin im gesamten römischen Weltreich rechtskräftig geworden. Demnach sollten alle "Richter, Stadtleute und alle Gewerbetreibenden am verehrungswürdigen Tag der Sonne ruhen". Eine Gelegenheit, auf den biblisch-jüdischen Schabat zu schauen und daraus Lehren für die Sonntagskultur zu ziehen.
Vor gut zwei Jahrzehnten nahm ich an den Gesprächen zwischen der Kirche und politischen Parteien teil. Ein Thema dabei: die Sonntagsarbeit. Es wurde unterschieden zwischen „Arbeit am Sonntag“ und „Arbeit für den Sonntag“. Arbeit am Sonntag sei verboten. Möglich sei jedoch Arbeit für den Sonntag: all das, was dazu beitrage, dass der Sonntag ein Feiertag werde, was den Sonntag zum Sonntag mache.
Was aber macht den Sonntag zum Sonntag?
Der Gugelhupf, meint eine beliebte Radiosendung. Frisches Gebäck in der Früh, so dass immer mehr Bäckereien nun auch am Sonntag geöffnet haben oder wir vor dem Frühstück noch schnell um Semmeln zur Tankstelle fahren? Gastgewerbe, Lifte zum Schifahren, Schwimmbäder und Shopping? Über der Grenze in Pressburg und im Sommer nun auch bei uns.
Ein Tag für Gott – ein Tag für den Menschen Das Judentum ist hier eindeutig. Der Schabbat ist kein Freizeit- und Vergnügungstag, sondern Ruhetag aus Dankbarkeit für das Geschenk der Schöpfung (Ex 20,8) und Tag der Erinnerung für die Befreiung aus ägyptischer Knechtschaft (Dtn 5,12-15). Eine Atempause für die Schöpfung, eine Unterbrechung, damit nicht alles Leben dem wirtschaftlichen Handeln unterworfen ist. Soll ich andere für mich arbeiten lassen, damit ich einen guten Feiertag habe? Aus jüdischer Sicht ist das undenkbar.
Kein Zwang zum Freizeitstress, zum Stau in der Autokolonne. Kein Zwang zum perfekten Festmahl am Feiertag pünktlich um zwölf (mit der Notwendigkeit, anschließend Geschirr und Küche zu reinigen). Kein Zwang, dies oder jenes noch unbedingt erleben zu müssen, um erholt (?) oder in zu sein.
Sondern Zeit haben, einfach hier zu sein, Gott für so Vieles zu danken, Zeit für Beziehungen, Zeit, um allein mit sich selber zu sein, Zeit für die Familie und Zeit zum Studium der Tora. Das Studium wird empfohlen. Es ist keine Arbeit, sondern zeichnet den höchsten Feiertag aus und führt tiefer zum Glauben.
Sonntag statt Schabbat – ein Unterschied mit Folgen
Der Schabbat hat bei Christinnen und Christen einen schlechten Ruf. Sie fragen: Was ist das für ein Feiertag voller Verbote?
Die Christenheit hat den Sonntag, den ersten Tag der Woche als ihren Feiertag erwählt. Es ist der Tag des Ostermorgens aber auch bewusste Abgrenzung gegen das Judentum, gerade nicht Schabbat zu halten. So legte es 363/ 364 das Konzil von Laodicea (Can. 29) fest und gebot, am Schabbat zu arbeiten und „sofern es ihnen möglich ist“ am Sonntag zu ruhen.
Die Merksätze der Zehn Gebote der Bibel folgten der kirchlichen Praxis: „Du sollst den Tag des Herrn heiligen“, haben wir im Religionsunterricht gelernt, nicht: „Gedenke“ (Ex 20,8) bzw. „Hüte den Schabbat“ (Dtn 5,12).
Wie andere Rabbiner auch, diskutiert Jesus, was zu arbeiten am Schabbat erlaubt ist und was nicht. Klarheit zu erhalten, Regeln, an die der Einzelne sich halten kann und die dem Willen Gottes gerecht werden, das ist das Ziel der rabbinischen Diskussion. Jesus sagt (Mk 2,27): „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ Leider wurde dieser Satz in christlicher Auslegung immer wieder als selbstgerechtes Argument gegen das „gesetzliche“ Judentum verwendet. Doch findet sich dieselbe Überlegung auch im Talmud: „Er ist in eure Hand übergeben, und nicht seid ihr in seine Hand übergeben“ (Babylonischer Talmud, Traktat Joma 85b). Kranke pflegen, Leben retten, Tiere versorgen, das alles kann am Schabbat selbstverständlich gemacht werden.
Freie Zeit statt Freizeit Der Schabbat ist ein Geschenk für alle: für Herren und Knechte, für Mensch und Tier, für Israeliten und alle Fremden im Land. Zugleich eine Vorschrift, die für alle verpflichtend ist. Tolerant wie wir sind, sagen wir heute vielleicht: Wir können nicht allen unseren Willen aufzwingen. Wer nicht arbeiten will, muss nicht arbeiten. Die Anderen leben in einer anderen Welt und sollen den Sonntag auf ihre Art verbringen. Jedem das Seine.
Doch die Grenze kann nicht so klar gezogen werden: Bald wird sich auch für mich die Notwendigkeit ergeben zu arbeiten, weil der Chef es befiehlt. Sonst droht Arbeitsplatzverlust.
Das Judentum hat dies konsequent erkannt. Entweder Feiertag für alle, oder es ist kein Feiertag. Auch wenn es schwierig ist, sich dem Zwang zum Aktivismus in der arbeitsfreien Zeit zu verweigern: Dass es für einen Gesellschaft insgesamt möglich ist, zeigt das Beispiel des Staates Israel.
Schabbat ist der Tag des freien Menschen. Heute bin ich mit meiner Haltung zum Sonntag kompromissloser geworden. Auch keine Arbeit mehr am Sonntag für den Sonntag. Das Wesentliche ist nicht Freizeit, sondern freie Zeit. Christinnen und Christen können mit einzelnen Inseln der Verweigerung ein Zeichen setzen.
Beitrag für das Pfarrblatt der Dompfarre Wien St. Stephan, Ostern 2008
Webtipp www.freiersonntag.at
Was aber macht den Sonntag zum Sonntag?
Der Gugelhupf, meint eine beliebte Radiosendung. Frisches Gebäck in der Früh, so dass immer mehr Bäckereien nun auch am Sonntag geöffnet haben oder wir vor dem Frühstück noch schnell um Semmeln zur Tankstelle fahren? Gastgewerbe, Lifte zum Schifahren, Schwimmbäder und Shopping? Über der Grenze in Pressburg und im Sommer nun auch bei uns.
Ein Tag für Gott – ein Tag für den Menschen Das Judentum ist hier eindeutig. Der Schabbat ist kein Freizeit- und Vergnügungstag, sondern Ruhetag aus Dankbarkeit für das Geschenk der Schöpfung (Ex 20,8) und Tag der Erinnerung für die Befreiung aus ägyptischer Knechtschaft (Dtn 5,12-15). Eine Atempause für die Schöpfung, eine Unterbrechung, damit nicht alles Leben dem wirtschaftlichen Handeln unterworfen ist. Soll ich andere für mich arbeiten lassen, damit ich einen guten Feiertag habe? Aus jüdischer Sicht ist das undenkbar.
Kein Zwang zum Freizeitstress, zum Stau in der Autokolonne. Kein Zwang zum perfekten Festmahl am Feiertag pünktlich um zwölf (mit der Notwendigkeit, anschließend Geschirr und Küche zu reinigen). Kein Zwang, dies oder jenes noch unbedingt erleben zu müssen, um erholt (?) oder in zu sein.
Sondern Zeit haben, einfach hier zu sein, Gott für so Vieles zu danken, Zeit für Beziehungen, Zeit, um allein mit sich selber zu sein, Zeit für die Familie und Zeit zum Studium der Tora. Das Studium wird empfohlen. Es ist keine Arbeit, sondern zeichnet den höchsten Feiertag aus und führt tiefer zum Glauben.
Sonntag statt Schabbat – ein Unterschied mit Folgen
Der Schabbat hat bei Christinnen und Christen einen schlechten Ruf. Sie fragen: Was ist das für ein Feiertag voller Verbote?
Die Christenheit hat den Sonntag, den ersten Tag der Woche als ihren Feiertag erwählt. Es ist der Tag des Ostermorgens aber auch bewusste Abgrenzung gegen das Judentum, gerade nicht Schabbat zu halten. So legte es 363/ 364 das Konzil von Laodicea (Can. 29) fest und gebot, am Schabbat zu arbeiten und „sofern es ihnen möglich ist“ am Sonntag zu ruhen.
Die Merksätze der Zehn Gebote der Bibel folgten der kirchlichen Praxis: „Du sollst den Tag des Herrn heiligen“, haben wir im Religionsunterricht gelernt, nicht: „Gedenke“ (Ex 20,8) bzw. „Hüte den Schabbat“ (Dtn 5,12).
Wie andere Rabbiner auch, diskutiert Jesus, was zu arbeiten am Schabbat erlaubt ist und was nicht. Klarheit zu erhalten, Regeln, an die der Einzelne sich halten kann und die dem Willen Gottes gerecht werden, das ist das Ziel der rabbinischen Diskussion. Jesus sagt (Mk 2,27): „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ Leider wurde dieser Satz in christlicher Auslegung immer wieder als selbstgerechtes Argument gegen das „gesetzliche“ Judentum verwendet. Doch findet sich dieselbe Überlegung auch im Talmud: „Er ist in eure Hand übergeben, und nicht seid ihr in seine Hand übergeben“ (Babylonischer Talmud, Traktat Joma 85b). Kranke pflegen, Leben retten, Tiere versorgen, das alles kann am Schabbat selbstverständlich gemacht werden.
Freie Zeit statt Freizeit Der Schabbat ist ein Geschenk für alle: für Herren und Knechte, für Mensch und Tier, für Israeliten und alle Fremden im Land. Zugleich eine Vorschrift, die für alle verpflichtend ist. Tolerant wie wir sind, sagen wir heute vielleicht: Wir können nicht allen unseren Willen aufzwingen. Wer nicht arbeiten will, muss nicht arbeiten. Die Anderen leben in einer anderen Welt und sollen den Sonntag auf ihre Art verbringen. Jedem das Seine.
Doch die Grenze kann nicht so klar gezogen werden: Bald wird sich auch für mich die Notwendigkeit ergeben zu arbeiten, weil der Chef es befiehlt. Sonst droht Arbeitsplatzverlust.
Das Judentum hat dies konsequent erkannt. Entweder Feiertag für alle, oder es ist kein Feiertag. Auch wenn es schwierig ist, sich dem Zwang zum Aktivismus in der arbeitsfreien Zeit zu verweigern: Dass es für einen Gesellschaft insgesamt möglich ist, zeigt das Beispiel des Staates Israel.
Schabbat ist der Tag des freien Menschen. Heute bin ich mit meiner Haltung zum Sonntag kompromissloser geworden. Auch keine Arbeit mehr am Sonntag für den Sonntag. Das Wesentliche ist nicht Freizeit, sondern freie Zeit. Christinnen und Christen können mit einzelnen Inseln der Verweigerung ein Zeichen setzen.
Beitrag für das Pfarrblatt der Dompfarre Wien St. Stephan, Ostern 2008
Webtipp www.freiersonntag.at